Demokratie hat mit Verantwortung zu tun

Alex Demirovic´ - Freitag 49

SYSTEMFEHLER - Warum die Eliten Hans-Werner Sinn keine Sozialnachhilfe angedeihen lassen

Für jüngste alarmierende Zeichen einer Erosion der Demokratie hat der britische Soziologe Colin Crouch kürzlich den Begriff der “Postdemokratie” geprägt. Damit meint er: Die formalen Institutionen sind noch vorhanden, die Verfahren werden brav vollzogen, doch die Entscheidungen fallen immer seltener auf der demokratischen Bühne. Eine Spiegel-Serie im Mai 2008, die der Frage nachging, ob Demokratien der führenden kapitalistischen Staaten noch eine Zukunft haben, berichtete, dass Verantwortungsträger aus Wirtschaft und Politik sich beeindruckt zeigen von dem Can-do-Spirit von Entwicklungsdiktaturen und Petro-Theokratien.

Dies werfe bei ihnen die Frage auf, ob nicht die hohen Wachstumsraten, die dynamischen Innovationen, die schnellen politischen Entscheidungen auf eine Effizienz des politischen Systems schließen lassen, mit denen die Wettbewerbsvorteile auch einer Wirtschaft wie der Deutschlands sich noch weiter steigern ließe. Wenn alle gesellschaftlichen Bereiche unter dem Gesichtspunkt evaluiert werden, ob sie globalen Verwertungsmaßstäben entsprechen, wäre es nur konsequent, auch nach den Kosten der Demokratie zu fragen: teure Wahlen, unnützes parlamentarisches Personal, kostenintensive Parteienlandschaft, Immobilien in bester Lage, die nach Privatisierung schreien, zu viele Gesetze, die das Durchregieren zugunsten der Wirtschaft erschweren, und schließlich eine Öffentlichkeit, die politische Entscheidungen “zerredet”. Demokratie erscheint als ein zu teurer, weil hinderlicher Luxus. (mehr…)

Dazu passt auch:

Zum Vertrag von Lissabon nach dessen Ablehnung durch die Iren

Von Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider

Die Abstimmung der Iren war ein Akt der Freiheit, der für alle Völker der EU das Recht verteidigt hat. Jetzt entrüstet sich die politische Klasse über die Iren, die no zum Vertrag von Lissabon gesagt haben, und beweist ihre Verachtung der Menschen und Völker. Schon der erneute Vertragsschluss nach dem Scheitern des Verfassungsvertrages im Jahre 2005 in Frankreich und den Niederlanden war demokratisch ein Skandal. Solange nicht alle Völker über die schicksalhafte Entwicklung der Union zum Grossstaat abstimmen dürfen, leben wir in obrigkeitlichen Parteienstaaten, nicht in demokratischen Republiken, die Gemeinwesen der Freiheit und des Rechts sein wollen und sollen. Man wird die Iren erneut zwingen abzustimmen.

Schon darum muss der Widerspruch gegen die Unterdrückung durch die Eurokraten aufrechterhalten bleiben, durch Öffentlichkeitsarbeit, durch Wahlen, durch Prozesse.
Das Bundesverfassungsgericht wird die von mir betriebene Verfassungsbeschwerde so schnell als möglich entscheiden, hoffentlich hinreichend dem Recht verpflichtet. Bis dahin wird der Bundespräsident das Zustimmungsgesetz nicht unterzeichnen und den Vertrag nicht ratifizieren. Auch in Grossbritannien und in Tschechien sind die obersten Gerichte mit dem Vertrag befasst. Für Österreich bereite ich eine Verfassungsklage vor. (mehr…)

Justiz-Sumpf Deutschland

Ein ehemaliger Richter spricht von “konsequenten Manipulationen”

Von Hans-Joachim Selenz, Freace

Ein Richter im Ruhestand läßt die Republik erbeben. Die Wellen schlagen immer höher. Dabei berichtete der Mann nur von seiner Arbeit. Seiner Arbeit innerhalb der deutschen Justiz. Es ist ein Rückblick mit Brisanz. Der Blick in einen kriminellen Sumpf (Süddeutsche Zeitung 9. April 2008 “Konsequente Manipulation”). “Wenn ich an meinen Beruf zurückdenke, dann überkommt mich ein tiefer Ekel vor ‘meinesgleichen’”. Frank Fahsel, früher Richter am Landgericht in Stuttgart, gibt tiefe Einblicke in das, was Tausende Bürger täglich vor deutschen Gerichten erleben: “Ich habe unzählige Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte erleben müssen, die man schlicht ‘kriminell’ nennen kann.”
Würde dies ein einfacher Bürger behaupten, der von einem dieser kriminellen Gesetzeswächter gerade seiner Rechte beraubt wird, säße er - mit hoher Wahrscheinlichkeit - alsbald hinter Gittern. Es sei denn, es ist die Wahrheit - siehe Selenz’ Kommentar “Kriminelle Staatsanwälte”. Ex-Richter Fahsel berichtet weiter: “Ich war von 1973 bis 2004 Richter am Landgericht Stuttgart und habe in dieser Zeit ebenso unglaubliche wie unzählige, vom System organisierte Rechtsbrüche und Rechtsbeugungen erlebt, gegen die nicht anzukommen war/ist, weil sie systemkonform sind.” Kriminelle Richter und Staatsanwälte waren trotzdem “sakrosankt”, wie Ex-Richter Fahsel es formuliert, “weil sie per Ordre de Mufti gehandelt haben oder vom System gedeckt wurden, um der Reputation willen.” Besser kann man den Zustand in den Teilen der deutschen Justiz nicht auf den Punkt bringen, mit deren Hilfe Politik und Wirtschaft den Rechtsstaat mißbrauchen. (mehr…)

[ME]: Eigentlich ein lesenswerter Artikel, der letzte Abschnitt steht jedoch dazu in völligem Gegensatz, unverständlich das plötzliche Umschwenken ins Naive.

Der schwarze Peter

Rechtsanwalt Dr. Peter Gauweiler (CSU) wurde einer breiten Öffentlichkeit bekannt – als kleinkarierter Verwaltungsjurist – dessen Mitarbeiter einst auf dem Münchner Oktoberfest nachmaßen, ob in den Maßkrügen tatsächlich die gekaufte Menge Bier ausgeschenkt wurde. Er galt nicht unberechtigt als „Strauß- Amigo“ und ein Parteifreund wollte von ihm wissen, dass er selbst im Kohlenkeller noch einen Schatten werfen würde. Wie ein Magnet zog er den Hass der Linken auf sich und durchlebte so manche persönliche. politische Krise. Ein Musterbeispiel sind die Umstände des Verkaufs seiner Anwaltskanzlei, welche der STERN zum Skandal hochstilisierte – und die, wie sich später herausstellte – ein völlig normaler Vorgang war. Der STERN- Informant landete vor dem Strafrichter und wurde berechtigt verurteilt – das Strafurteil brachte Peter Gauweiler aber nicht die Karriere zurück – die ihm der „Skandal“ gekostet hatte. Franz Josef Strauß (FJS) war gestorben und sein Nachfolger Edmund Stoiber hatte seine eigenen Amigos und da störte beim bayerischen Postengeschacher der alte Strauß-Amigo Gauweiler. Gut so – nur so konnte aus dem Politiker das werden was er heute nach Ãœberzeugung der Süddeutschen Zeitung ist – ein Querdenker mit Format. Er war als einer der wenigen in der CSU der gegen den Irak-Krieg war, ebenso gegen den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan und er ist gegen den Vertrag von Lissabon, der die nationalen Rechte zugunsten von EU-Befugnissen beschneidet. Schlimmer – er hält diesen Vertrag für verfassungswidrig – und er tut etwas für seine Ãœberzeugung – er klagt gegen diesen Vertrag vor dem Bundesverfassungsgericht – teilweise auf eigene Kosten. Es ist die letzte Chance dieses Gerichtes frei zu entscheiden – denn dieser Vertrag kastriert das Bundesverfassungsgericht – nimmt ihm die Kompetenz dem Grundgesetz Vorrang vor dem EU-Recht zu verschaffen. Damit es auch den Lesern klar wird: Kommt eine Online-Durchsuchung künftig per EU-Recht auf uns zu, kann der Bürger sich den Gang nach Karlsruhe ersparen – das Bundesverfassungsgericht hat nichts mehr zu entscheiden. Peter Gauweiler tut das, was die „Schreier“ der LINKEN unterlassen haben, nämlich dem Bundesverfassungsgericht Gelegenheit zu geben, über seine geplante Entmachtung selbst zu entscheiden. (mehr…)

Auf dem Weg zu Krieg und Notstandsdiktatur

Von JÜRGEN ELSÄSSER

Am 7. Mai 2008 stellte die Bundestagsfraktion der Union ihre tags zuvor beschlossene „Sicherheits strategie für Deutschland” vor. Durchgehende Leitlinie der Ãœberlegungen ist, dass „die bisherige Trennung von innerer und äußerer Sicherheit oder in Kriegszustand und Friedenszeit nicht länger aufrechterhalten“ werden kann. Mit George Orwell gesagt: Krieg ist Frieden, und Frieden ist Krieg. Die „veränderte Bedrohungslage erfordert ein völlig neues Verständnis von Sicherheitspolitik.“ Und weiter: „Die Erhöhung der Wehrhaftigkeit Deutschlands nach Außen wie nach Innen muss sich auch organisatorisch in der deutschen Sicherheitsarchitektur niederschlagen.“ Die Notwendigkeit dieses Umbruchs wird so begründet: „Die Sicherheit unseres Landes ist heute völlig anderen, aber nicht minder gefährlichen Bedrohungen ausgesetzt als zu Zeiten des ‘Kalten Krieges’. Heute ist der transnationale Terrorismus die größte Gefahr für die Sicherheit unseres Gemeinwesens.“ Damit wird das Phantom Al Qaida und islamistischer Gruppen als noch größere Bedrohung dargestellt als früher der Warschauer Pakt und die kommunistische Bewegung. Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand: Staat und Gesellschaft müssen sich noch stärker verpanzern als im Kalten Krieg. (mehr…)

Dazu auch in der jungen Welt: Mit Zeitzünder

Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes - Dienstleistungsfreiheit steht über nationalen Arbeitnehmerrechten

Von Christine Wicht

Am 3. April hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden, dass ein Bundesland bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen keine Tariflöhne vorschreiben kann. Dieses Urteil ist von elementarer Bedeutung, da den im EGV (Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft) festgelegten wirtschaftlichen Grundfreiheiten eine höhere Priorität eingeräumt wird als den arbeitsrechtlichen Koalitionsfreiheiten gemäß Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes. Das Urteil zeigt, dass die wirtschaftlichen Grundfreiheiten zugunsten von Unternehmerfreiheiten wirken und die Arbeitnehmer den Bedingungen des Wettbewerbs weitgehend schutzlos ausliefern.
Das Oberlandesgericht Celle hatte den EuGH um Prüfung der Vereinbarkeit des niedersächsischen Landesvergabegesetzes mit der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) gebeten. Hiernach sind Aufträge für Bauleistungen nur an solche Unternehmen zu vergeben, die sich bei der Vergabe schriftlich verpflichten, ihren Arbeitnehmer/innen mindestens das am Ort der Ausführung tarifvertraglich vorgesehene Entgelt zu bezahlen. Der Auftragnehmer muss sich zudem verpflichten, diese Verpflichtung Nachunternehmern aufzuerlegen und ihre Beachtung zu überwachen. Die Nichteinhaltung dieser Verpflichtung löst die Zahlung einer Vertragsstrafe aus. Mit dieser Bestimmung sollte ein unfairer Wettbewerb zu Lasten von Löhnen verhindert werden. Der EuGH sah im niedersächsischen Landesvergabegesetz einen Verstoß gegen geltendes EU-Recht. Nach dem Urteil des EuGH können ausländische Unternehmen, die Staatsaufträge in Deutschland annehmen, nicht dazu verpflichtet werden, Tariflöhne zahlen (Az.: C-346/06). Dieses Urteil bindet die deutsche Gesetzgebung und Rechtsprechung, da das EU-Recht dem nationalen Recht vorgeht (Urteil des EuGH vom 15.07.1964, Az.: 6/64 und ständige Rechtsprechung). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der Vorrang des EG-Rechts einer der Grundpfeiler des Gemeinschaftsrechts. Dem Gerichtshof zufolge ergibt sich dieser Vorrang aus der Besonderheit der Europäischen Gemeinschaft. (mehr…)

„Die Vision des Neoliberalismus widerspricht entscheidenden Anforderungen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes“

 nlepd-2.jpgDas ist einer der Kernsätze eines Essays von Wieland Hempel, den wir Ihnen zur Lektüre und zur Diskussion empfehlen. Unser Autor, Ministerialbeamter und ausgewiesen im Verfassungsrecht, unternimmt es, die herrschende neoliberale Politik am unveränderbaren Kern des Grundgesetzes zu messen. Sein Befund bestätigt die häufig diffuse Vermutung, dass die neoliberalen “Reformen” auf eine andere Republik zielen.
Der Neoliberalismus will die Marktkräfte von allen “Fesseln”, Verantwortlichkeiten und Rücksichten befreien. Deshalb muss er den sozialen Rechtsstaat bis zur Wirkungslosigkeit aushöhlen. Wieland Hempel belegt, dass die “Erfolgsbilanz” der neoliberalen Politik in Deutschland kein Zufall ist, sondern einer langfristigen Strategie folgt. Er bezieht den Kulturbruch, den der Neoliberalismus für die deutsche Gesellschaft darstellt, in seine verfassungsrechtliche Kritik ein und sucht nach den geistes- und sozialgeschichtlichen Voraussetzungen dieser Entwicklung.
Unser Autor plädiert für eine argumentativ wohl begründete Verteidigung des Grundgesetzes gegen seine Verächter - auch gegen die gutgläubig Verfassungsvergessenen. Er hofft, dass die Delegitimierung der neoliberalen Machtelite die Abwehrkraft der Mehrheitsgesellschaft stärkt. (mehr…)

Weder tot noch lebendig

EU-Verfassung: Nach dem Reformvertrag von Lissabon steht ein von den Bürgern geschriebenes europäisches Grundgesetz erst recht auf der Tagesordnung

Von Marcus Hawel

eu-kotz.jpgNach der Ablehnung in Frankreich und den Niederlanden 2005 lag die EU-Verfassung auf Eis, bis 2007 unter deutscher Ratspräsidentschaft jene Elemente des Verfassungsvertrages ausfindig gemacht wurden, die Aufnahme in ein erneuertes Vertragswerk fanden. Den so entstandenen Reformvertrag haben die EU-Regierungschefs am 13. Dezember 2007 in Lissabon unterzeichnet. Nun muss das Dokument von allen 27 Mitgliedsländern ratifiziert werden. Einzig in Irland ist dazu ein Referendum vorgeschrieben - in den anderen EU-Staaten scheut man nach der Erfahrung des Jahres 2005 Volkes Stimme.
Eine Verfassung für Europa soll in Kraft treten, die nicht so genannt werden darf und wohl auch nicht sollte, weil ihr das neoliberale Paradigma gleichsam als Fundamentalnorm eingeschrieben ist. Der Bielefelder Jurist Andreas Fisahn schrieb in dieser Zeitung (Freitag 26/07): “Diese Fixierung auf Marktradikalität widerspricht den demokratischen Normen von Politik, die stets die Möglichkeit zum Richtungswechsel offen halten - laut Verfassung ist der weitgehend ausgeschlossen. Folglich bleibt das Parlament machtlos, bleibt es beim bekannten Demokratiedefizit, bleibt die Kommission das Exekutivorgan der Interessenten und Nutznießer dieser ‘offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb’, die von allen sozialen und demokratischen Bindungen befreit ist.” (mehr…)

Die EU-Eliten ignorieren das Volk

Der in Lissabon feierlich verabschiedete EU-Reformvertrag ist nach Ansicht vieler europäischer Wissenschaftler unsozial, demokratiefeindlich und aggressiv.

reichstag.jpgIn diesem Abschnitt (Kapitel 2.1 des Euromemorandums: Der “Reformvertrag” - Die Gegenreform der EU-Eliten in neuer Aufmachung, Red.) kritisieren wir die EU-Politik in den zentralen Feldern der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung. Wir zeigen zunächst auf, dass der vielgepriesene Reformvertrag noch immer nichts anderes enthält als den neoliberalen Inhalt des alten Entwurfes; die Stoßrichtung auf eine Stärkung der Militärmacht der EU wurde beibehalten; die Verbesserungen der Mitbestimmungsrechte des Europäischen Parlamentes überwinden die grundsätzlichen Demokratiedefizite dieses Vertrags nicht.

paragraph.jpgWir kritisieren die anhaltende Deregulierungswut der Kommission, mit der sie fundamentale öffentliche Dienstleistungen der Logik des Binnenmarktes unterwirft und die Arbeitsmärkte noch größerer Flexibilität aussetzen möchte. Angesichts dieses Deregulierungsschubs ist die europäische Einwanderungspolitik viel zu rigide und restriktiv, während auf der anderen Seite in der Klima- und Energiepolitik keine konkreten Aktionen hinter der starken Rhetorik zu erkennen sind. (mehr…)

Erklärung europäischer Attac-Organisationen zum EU-Reformvertrag

13. Dezember 2007

nlepdadler-logo.jpg * Vertrag von Lissabon macht Bürgerinnen und Bürger mundtot
* Erklärung europäischer Attac-Organisationen zum EU-Reformvertrag

Am heutigen Donnerstag, 13. Dezember, haben die 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union den Vertrag von Lissabon unterzeichnet, der - wenn er von allen Mitgliedsländern ratifiziert wird - für lange Jahre den europäischen Bürgerinnen und Bürgern einen unkontrollierbaren Wirtschaftsliberalismus aufdrückt, ohne dass sie nach ihrer Meinung gefragt worden sind. Dieser Vertrag ist zu verurteilen wegen seines Zustandekommens, seines Inhalts und des geplanten Vorgehens bei der Ratifikation.

bundestag.jpgDie europäischen Attac-Organisationen fordern, dass alle neuen europäischen Grundlagentexte - egal ob sie Vertrag oder Verfassung genannt werden - von einer für diesen Zweck gewählten Versammlung verfasst werden. Davon ist das derzeitige Vorgehen weit entfernt: Der neue Vertrag ist hinter verschlossenen Türen von einer Expertengruppe ausgearbeitet worden, über die fast nichts bekannt ist. Dann wurde der Entwurf im Sommer bei einer Konferenz der nationalen Regierungen vorgelegt, bevor er in der Nacht vom 18. auf den 19. Oktober bei einem Gipfeltreffen der europäischen Staats- und Regierungschefs angenommen wurde. Dies alles ist geschehen ohne jegliche Transparenz. (mehr…)

Reformvertrag EU: Achtung Hochverrat!

Von Anne-Marie Le Pourhiet, Professorin für öffentliches Recht, Frankreich

revolution.jpgDer Entwurf des europäischen «Reformvertrags» wurde am 5. Oktober veröffentlicht. Bei der Lektüre dieses Textes wird bald verständlich, weshalb seine Verfasser auf die Ausdrücke «Minivertrag» oder «vereinfachter Vertrag» verzichtet haben, da er mit seinen 12 Protokollen und seinen 25 unterschiedlichen Erklärungen nicht weniger als 256 Seiten umfasst und man in Sachen redaktioneller Komplexität kaum Schlimmeres hätte anrichten können. In dem Masse, wie dieser Text sich in Wirklichkeit darauf beschränkt, drei Viertel der Bestimmungen des Vertrags über eine Verfassung für Europa (VVE) in anderer Form abzuschreiben, wäre es bestimmt einfacher gewesen, den ursprünglichen Text zu übernehmen und daraus einzig die nun weggelassenen staatstypischen Symbole zu streichen. Man versteht jedoch, dass diese Möglichkeit ausgeschlossen wurde, denn sie hätte auf allzu schreiende Art und Weise zum Ausdruck gebracht, dass man sich offen über den Willen des französischen und niederländischen Volkes hinwegsetzt.
laterne-frei-e.jpg Die Verfasser haben es somit vorgezogen, einen komplizierten Text zusammenzumixen, der einerseits den Vertrag über die Europäische Union (EU-Vertrag, Vertrag von Maastricht, 1992) und andererseits den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag, Vertrag von Rom, 1957) abändert, der künftig «Vertrag über das Funktionieren der Union» heissen wird. Der Betrug wird deutlich mit der Grund rechts-Charta, die nicht mehr in den Verträgen eingeschlossen ist, sondern in Artikel 6 des Textes folgendermassen erscheint: «Die Union anerkennt die Rechte, Freiheiten und Grundsätze aus der Charta der Grundrechte vom 7. Dezember 2000 an, die denselben juristischen Wert wie die Verträge hat.» Ein Vertrag behauptet also, dass eine Charta, die nicht Teil von ihm ist, denselben juristischen Wert hat wie die Verträge, die er verändert. Man ist noch nie einem so verdrehten juristischen Vorgehen begegnet, selbst in den kürzlich erfolgten Ãœberarbeitungen der französischen Verfassung, die auf höchster normativer Ebene das Eindringen des «schlechten Rechts» (le «maldroit») in unser Land offenbarten. Das Protokoll Nr. 7, das jedoch vorsieht, dass die Charta weder dem Europäischen Gerichtshof noch der britischen und polnischen Rechtsprechung erlaubt, die Anwendung von nationalem Recht dieser zwei Länder auszuschliessen, die als unvereinbar mit jener Charta beurteilt wurden, ruft ein Herzstechen hervor. Alles verläuft so, wie wenn das «Nein» der Franzosen zwar anderen dienen würde, aber nicht ihnen. Welche Demütigung! (mehr…)

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