Gewalt gesichert

Die Demonstrationen gegen den G-8-Gipfel 2007. Ein Resümee des Berichts, den das Komitee für Grundrechte und Demokratie jetzt vorlegte

Wolf-Dieter Narr

g8.jpgDas demonstrative Geschehen vom 2. bis 8. Juni wurde mit einer Riesendemonstration und Versammlung am 2. Juni im Rostocker Hafen eröffnet. 80.000 Menschen trafen sich dort, um die herrschende Form der Globalisierung zu kritisieren. Die Eröffnungsversammlung war noch nicht zu Ende, da hallte der Gewaltruf durch die Medien; wurden Bilder gewaltsamer Auseinandersetzungen übers Fernsehen in die Wohnzimmer geflimmert; wurde der Vorwurf, Teilnehmer an der Versammlung seien gewalttätig, mündlich und zeitungsschriftlich verbreitet. Nicht wenige Vertreter selbst von den Gruppen, die die Versammlung organisiert hatten, sprachen sich gegen diejenigen pauschal aus, die Gewalt geübt hätten. Die Polizei meldete Hunderte teilweise schwer verletzter Polizeibeamter. Teilnehmende an der Versammlung wurden als ertappte oder vermutete »Gewalttäter« festgenommen. Die Polizeiführung, konzentriert in der Sonderbehörde »Kavala«, erklärte zugleich, sie habe durchgehend eine »Deeskalationsstrategie« verfolgt. Sie werde trotz der negativen Ãœberraschung durch »Gewalttäter« daran festhalten. Um dem Versammlungsverlauf gerecht zu werden und beurteilen zu können, welche Behauptungen zutreffen, hat die Beobachtergruppe des Komitees für Grundrechte und Demokratie zweierlei getan. Sie hat zuerst die Vorgeschichte der Junitage von Rostock und Heiligendamm untersucht. Sie hat die Berichte, die die Beobachter gegeben haben, als dichte Beschreibung des Geschehens am 2. Juni und der folgenden Tage bis zum 8. Juni komponiert. (mehr…)

dazu mehr: G-8-Razzia war Willkür - Von Frank Brendle

Mit den Mitteln der Feindschaft

AUSNAHMEZUSTAND   -   Die Entregelung staatlicher Gewalt in Verbindung mit den immer perfekteren Kontrolltechnologien könnte in einem autoritären Alptraum münden. Eine Warnung
Von Raul Zelik

reichstag-panzer.jpgAls Giorgio Agamben 2003 schrieb, dass sich der Ausnahmezustand mit dem War on Terror in “das herrschende Paradigma des Regierens” verwandele, wurde er von Kritikern belächelt. Von einer “Unbestimmtheit zwischen Demokratie und Absolutismus”, wie sie der italienische Philosoph auszumachen glaubte, sei die westliche Gesellschaft noch Lichtjahre entfernt.
Mittlerweile lässt sich kaum noch leugnen, dass die staatliche Gewalt in den vergangenen Jahren systematisch enthegt worden ist. Die US-Regierung hat in Guantánamo und an anderen, geheimen Orten Räume des Ausnahmezustands errichtet, in denen - zumindest bislang - weder nationales Recht noch internationale Kriegskonventionen gelten. Folter ist von führenden Repräsentanten der USA als “robuste Verhörmethode” verharmlost und damit legitimiert worden. Ein Tabubruch, der vom “Folterverbot”, den das Weiße Haus vor wenigen Wochen verkündete, nicht rückgängig gemacht wird. Gleichzeitig wird die Kriegführung immer stärker an so genannte “Private Militärdienstleister” (PMC´s) outgesourcet und damit der öffentlichen Kritik systematisch entzogen. Im Irak stellen die PMC´s mit mehreren zehntausend Mann mittlerweile das zweitgrößte Besatzungskontingent nach der US-Armee. (mehr…)

Angriff aufs Grundgesetz

Von Daniel Behruzi

aasgeier-db.jpgDer für Donnerstag geplante Streikauftakt bei der Bahn findet vorerst nicht statt. Das Nürnberger Arbeitsgericht verbot der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) am Mittwoch per einstweiliger Verfügung, zu Arbeitsniederlegungen im Fern- und Güterverkehr aufzurufen. Vor allem die Begründung des Urteils, in der u.a. auf drohende volkswirtschaftliche Schäden durch den Streik verwiesen wird, sorgt bei Juristen und Gewerkschaftern für Empörung. Die Fahrpersonalgewerkschaft, die sofort Widerspruch gegen das Verbot einlegte, will sich an die Entscheidung halten, solange diese Bestand hat. Zugleich kündigte GDL-Chef Manfred Schell am Mittwoch in Frankfurt am Main an, bei Arbeitskampfmaßnahmen im Personenverkehr künftig keine Vorwarnungen mehr zu geben.
Bis zum 30. September sind Arbeitsniederlegungen der Gerichtsentscheidung zufolge bundesweit verboten. Mit dem Widerspruch der GDL wollen sich die Nürnberger Richter erst am Freitag befassen. Sollte dieser und die dann folgende Berufung beim Landesarbeitsgericht ohne Erfolg bleiben, will die GDL vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. (mehr…)

Geiseln der Privatisierung

Die Gewerkschaften müssen über neue Kampfmethoden nachdenken

KOMMENTAR VON OSKAR LAFONTAINE

generalstreik.jpgDie Realeinkommen der Bahn-Beschäftigten befinden sich seit 2005 im freien Fall. Vor allem aufgrund von Arbeitszeitverlängerungen sind sie im letzten Jahr um rund zehn Prozent gefallen. Und auf die letzten drei Jahre bezogen, weist die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) sogar einen Reallohnverlust von fast dreißig Prozent aus. Vor diesem Hintergrund wirkt die Forderung von Lohnsteigerungen bis zu 31 Prozent keineswegs schrill. Zum Vergleich: Laut dem DB-Geschäftsbericht sind die Gesamtbezüge des achtköpfigen Bahn-Vorstands allein 2006 um 62,5 Prozent auf über 20 Millionen Euro gestiegen. Der Aufsichtsrat, der dies genehmigte, verdreifachte sogar fast seine Bezüge auf 875.000 Euro. Komme es zu Bahn-Streiks, so schade das der Wirtschaft und dem Ansehen Deutschlands, ließ Bundeswirtschaftsminister Glos in der Bild am Sonntag verlauten. Die parteiischen Töne des Bundeswirtschaftsministers zeigen, auf welcher Seite er steht. Ein neutralerer Beobachter hätte ja auch darauf verweisen können, dass es ja vielleicht sogar dem Ansehen Deutschlands schade, dass ein deutscher Lokführer weniger als die Hälfte am Ende eines Monats nach Hause trägt als sein Schweizer Kollege - oder rund tausend Euro weniger als ein spanischer und französischer Kollege! (mehr…)

Freiheit und Staat

km. Das Streben nach Freiheit ist ein Menschheitsstreben. Freiheit im Sinne von Selbstbestimmung ist ein Wesensbestandteil der Menschenwürde.
© Zeit-Fragen.ch

dsc08204kl.jpgDas Streben nach Freiheit resultiert zum einen aus der bitteren Erfahrung der Unfreiheit, die für den Menschen immer mit sozialer Diskriminierung, Knechtung und Gewalt, Unterdrückung und Entwürdigung verbunden ist, zum anderen aus dem Wissen um das wahre Glück eines freien Lebens. Das Streben nach Freiheit war und ist immer ein Leitmotiv im Kampf gegen Unrecht, Unterdrückung und Gewalt. Zeugnisse des Freiheitsstrebens sind aus allen Zeiten und Kulturen überliefert.
Grundlegend für das europäische Verfassungsdenken seit der Französischen Revolution sind die Freiheitsideen des Aufklärungszeitalters. Philosophen dieses Zeitalters haben sich systematisch mit der Frage der Freiheit und Selbstbestimmung beschäftigt und die Idee des Gesellschaftsvertrages formuliert. Diese Philosophen gehen davon aus, dass jeder Mensch im Naturzustand absolut frei und keiner Macht unterworfen ist und diese Freiheit nur durch den freien Willen aller Gesellschaftsmitglieder in einem Gesellschaftsvertrag eingeschränkt werden darf, und zwar alleine zum Schutz von Freiheit und Eigentum, Sicherheit und Leben. Freiheit bedarf des Eigentums (soziale Gerechtigkeit), der Sicherheit und natürlich des Lebens (Schutz vor Gewalt). (mehr…)

In der Luft, auf See und zu Land - Militär-Hilfe “auf Teufel komm raus”

Wüstenfüchse, Tornados und ALADIN beim G8 in Heiligendamm
IMI-Analyse: Johannes Plotzki

bomben-bundestag-grun.jpgZusammengenommen widersprechen die Berichte über die tatsächlich während des G8-Gipfels durchgeführten Einsätze der Bundeswehr zu Land, auf See und in der Luft diametral dem, was die Bundesregierung im Vorfeld hat Glauben machen wollen. Denn fest steht bereits zum jetzigen Erkenntnisstand, dass die Zusammenarbeit der Bundeswehr mit der Polizei wesentlich weiter ging, als dies bei früheren Einsätzen der Fall war. Die grundgesetzliche Trennung von Polizei und Bundeswehr wird in eklatanter Weise aufgeweicht, wenn beispielsweise Bundeswehrsoldaten zur Verkehrsüberwachung eingesetzt werden.
Hatte die Bundesregierung noch in ihrer Antwort auf die kleine Anfrage u.a. der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) am 26.04.2007 verneint, die Bundeswehr an der Sicherung der Strecke zwischen dem Flughafen Rostock-Laage und dem Tagungshotel zu beteiligen, wurde das Gegenteil für jeden sichtbar, der sich während des G8-Gipfels auf der Autobahn (BAB 19) zwischen Rostock und dem Flughafen Rostock-Laage bewegte. Auf den Autobahnbrücken standen gut sichtbar gepanzerte Bundeswehrfahrzeuge. Dabei handelte es sich um den neuen Spähwagen der Bundeswehr, in Anlehnung an den lateinischen Namen des Wüstenfuchs Fennek genannt. (mehr…)

Der artgerechte Staat

Das Recht der inneren Sicherheit in Deutschland ist gekennzeichnet vom Verlust der Maßstäbe und von der Veralltäglichung der Maßlosigkeit.
Von Heribert Prantl

buchenwald2.jpgWas bei den Legehennen als nicht artgerecht gilt, gilt nun offenbar bei den Menschen als gerecht. Für Legehennen ist die Käfighaltung mit Ablauf 2008 verboten; für Menschen wurde sie soeben eingeführt. In Heiligendamm sind die festgenommenen Demonstranten in Gitterkäfige gesperrt und dort verwahrt worden, jeweils 20 Menschen auf 25 Quadratmeter, Tag und Nacht beleuchtet und bei all ihren Regungen gefilmt.
Diese Käfighaltung manifestiert: Das Recht der inneren Sicherheit in Deutschland ist gekennzeichnet vom Verlust der Maßstäbe und von der Veralltäglichung der Maßlosigkeit. Bezeichnend dafür ist auch der ungeheuerliche Verdacht, dass staatliche Gewaltaufwiegler, Zivilpolizisten in schwarzer Maskerade, sich unter die Demonstranten von Heiligendamm gemischt, sie zu Straftaten angestiftet und zu diesem Zweck Steine auf die Polizei geworfen haben sollen. (mehr…)

Mit Panzern und Jets gegen Demonstranten

Tornados über Heiligendamm
Von Thorsten Denkler, Berlin


bomben-bundestag.jpgDie Bundeswehr war mit über 1100 Soldaten rund um den G-8-Gipfel im Einsatz. Neben Tornados waren auch Spähpanzer unterwegs. Begründet wird das mit “technischer Amtshilfe”. Ein fragwürdiges Argument.
Kurz vor Heiligendamm, auf der Landstraße von Kröpelin nach Kühlungsborn. An jeder Straßenkreuzung Polizei. Immer wieder rechts ran, weil gerade eine Kolonne Mannschaftswagen mit eingeschaltetem Blaulicht überholt oder entgegenkommt. Und dann auch noch eine Motorradstaffel der Feldjäger. Die Bundeswehr im Einsatz.

Das dünnbesiedelte Fleckchen Erde wirkt, als sei der nationale Notstand ausgebrochen. Schon vorher auf der Autobahn war aufgefallen: Auf jeder Brücke über der A 19 steht ein Spähpanzer vom Typ Fennek mit weit ausgefahrenem Mast. Auf dem ist die Aufklärungstechnik montiert. Bis zu zehn Kilometer weit reicht das Auge des Fennek. (mehr…)

Wollt ihr Tote?

[ME] Diese Schlagzeile impliziert zwei Botschaften:

  • Ein “Anliegen” wird den Demonstranten abgesprochen, indem es als Chaos bezeichnet wird.
  • eine unverhüllte Drohung.

D.H. wer seine Grundrechte wahrnimmt und gegen

  • eine neoliberale Globalisierungspolitik, die inzwischen mehr Hunger- und Kriegstote erzeugt hat, als der erste und zweite Weltkrieg zusammen (die wiederum auch schon Bestandteil der Globalisierung waren),
  • Abschaffung der Demokratie in Deutschland
  • Enteignung und Zwangsarbeit (z.B. Hartz-Gesetze, “Reformen” u.ä.)
  • das permanente Brechen des Grundgesetzes z.B. die Artikel: 1,2,3,5,8,9,10,12,13,14,20,26,87 um nur einige zu nennen,
  • das permanente Brechen des Völkerrechtes in Form von illegalen Angriffskriegen gegen Jugoslawien, Irak und Afghanistan,
  • einen Ãœberwachungsstaat,

demonstriert ist ein Chaot. Wer die Einhaltung des Grundgesetz und des Völkerrechts fordert ist ein Chaot. Gut zu Wissen, was dieses Sprachrohr der deutschen Politik von unserem Grundgesetz und dem Völkerrecht hält.

bild-chaoten11.jpgDie Drohung kann man nur so auffassen, das sich die Bild-Zeitung als Organ der Staatsgewalt versteht, und ganz offen den, als Terroristen diffamierten, Demonstranten mit deren Tötung droht. Wie das andere deutsche Stürmer-Blatt “der Spiegel” schon forderte “Die Deutschen müssen das Töten lernen” ist hier wohl das Töten von deutschen Demonstranten durch deutsche Polizisten gemeint, nicht zu vergessen die grundgesetzwidrige Forderung nach dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren zur Aufstandsbekämpfung.
Noch haben wir Gesetze dagegen … warum wenden wir sie nicht an?

Molli, Macht und Meer

Der G8-Gipfel als Höhepunkt von Politik-Inszenierung
Rudolf Stumberger

180-millionen1.jpg“Münster, Molli, Moor & Meer”, so lautet der touristische Slogan des Seebads Heiligendamm. Mit “Molli” ist allerdings nicht der bekannte Molotow-Cocktail gemeint, sondern eine dampfbetriebene Schmalspurbahn. Für sie gibt es auch ein Loch im 15 Kilometer langen Sicherheitszaun, der die G8-Gipfelteilnehmer vor ihren Bürgern schützt. Und der Metallzaun ist wohl auch der Grund, warum das Treffen der Regierungschefs nicht im Veranstaltungskalender des Seebades unter der Rubrik “Höhepunkte” eingetragen ist - dort steht nur ein Hinweis auf das am 2. Juni beginnende “Aqua Nostra” - das “Wasserfest” (was im übrigen nichts mit dem Einsatz von Wasserwerfern zu tun hat). Dabei ließe sich “G8″ - sprachlich dem einst von dem deutschen Gynäkologen Ernst Grafenberg entdeckt “G-Punkt” der Sexualität ähnelnd - durchaus als Höhepunkt deuten: Dem der Bedeutungsaufladung der beteiligten Politiker und der ökonomischen Mobilisierung von Politik als Event.
“Narzissmus ist eine Charaktereigenschaft, die sich durch ein geringes Selbstwertgefühl bei gleichzeitig übertriebener Einschätzung der eigenen Wichtigkeit und dem großen Wunsch nach Bewunderung auszeichnet”, sagt uns Wikipedia. Ãœber den Zusammenhang von Politik und Narzissmus geben Studien wie die des Psychotherapeuten Hans-Jürgen Wirth (”Narzißmus und Macht”) Auskunft. Ãœber den Zusammenhang von Macht und einem Aufwand, der in bislang unbekannte Dimensionen vorstößt, scheint uns der G8-Gipfel zu lehren. Man muss sich das so vorstellen: Es treffen sich acht Regierungschefs eineinhalb Tage zu Besprechungen. Wenn sie auf das Meer hinaussehen, sehen sie amerikanische Kriegsschiffe. Wenn sie in das Landesinnere sehen, sehen sie einen Metallzaun (Kosten: rund 12 Millionen Euro). (mehr…)

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