Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes - Dienstleistungsfreiheit steht über nationalen Arbeitnehmerrechten

Von Christine Wicht

Am 3. April hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden, dass ein Bundesland bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen keine Tariflöhne vorschreiben kann. Dieses Urteil ist von elementarer Bedeutung, da den im EGV (Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft) festgelegten wirtschaftlichen Grundfreiheiten eine höhere Priorität eingeräumt wird als den arbeitsrechtlichen Koalitionsfreiheiten gemäß Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes. Das Urteil zeigt, dass die wirtschaftlichen Grundfreiheiten zugunsten von Unternehmerfreiheiten wirken und die Arbeitnehmer den Bedingungen des Wettbewerbs weitgehend schutzlos ausliefern.
Das Oberlandesgericht Celle hatte den EuGH um Prüfung der Vereinbarkeit des niedersächsischen Landesvergabegesetzes mit der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) gebeten. Hiernach sind Aufträge für Bauleistungen nur an solche Unternehmen zu vergeben, die sich bei der Vergabe schriftlich verpflichten, ihren Arbeitnehmer/innen mindestens das am Ort der Ausführung tarifvertraglich vorgesehene Entgelt zu bezahlen. Der Auftragnehmer muss sich zudem verpflichten, diese Verpflichtung Nachunternehmern aufzuerlegen und ihre Beachtung zu überwachen. Die Nichteinhaltung dieser Verpflichtung löst die Zahlung einer Vertragsstrafe aus. Mit dieser Bestimmung sollte ein unfairer Wettbewerb zu Lasten von Löhnen verhindert werden. Der EuGH sah im niedersächsischen Landesvergabegesetz einen Verstoß gegen geltendes EU-Recht. Nach dem Urteil des EuGH können ausländische Unternehmen, die Staatsaufträge in Deutschland annehmen, nicht dazu verpflichtet werden, Tariflöhne zahlen (Az.: C-346/06). Dieses Urteil bindet die deutsche Gesetzgebung und Rechtsprechung, da das EU-Recht dem nationalen Recht vorgeht (Urteil des EuGH vom 15.07.1964, Az.: 6/64 und ständige Rechtsprechung). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der Vorrang des EG-Rechts einer der Grundpfeiler des Gemeinschaftsrechts. Dem Gerichtshof zufolge ergibt sich dieser Vorrang aus der Besonderheit der Europäischen Gemeinschaft. (mehr…)

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