Herrschaftliches Liedgut

Wie der Philosoph Peter Sloterdijk aus Motiven der »Konservativen Revolution« und des Liberalismus den Heldengesang kapitalistischer Despotie komponiert. Eine Kritik der zynischen Vernunftzerstörung

Thomas Wagner

sloterdijk03.jpgDie Nazis haben die Methoden und das Ausmaß ihres Schreckensregimes bei den Bolschewisten Sowjetrußlands bloß abgekupfert. So läßt sich eine These zuspitzen, mit der ein bis dahin renommierter Historiker der BRD vor nunmehr 20 Jahren den Zorn von Jürgen Habermas auf sich zog und den Widerspruch einer Reihe linksliberaler Intellektueller provozierte. Besagter Ernst Nolte und andere Vertreter des historischen Revisionismus legten den Gedanken nahe, daß es ohne das kommunistische Vorbild die Menschheitsverbrechen der Nazifaschisten in der heute bekannten Form nie gegeben hätte. »Die von den Nazis betriebene Politik sei eine solche der ›Gegenausrottung‹, eine Antwort auf die Politik der ›Ausrottung‹, die das aus der Oktoberrevolution hervorgegangene Regime vollführt habe«, faßt der italienische Philosoph Domenico Losurdo die Ansichten der Revisionisten in seinem neuen Buch »Kampf um die Geschichte« (S. 7) zusammen. Solcherart kausale Verknüpfungen dienten damals wie heute in der Regel einem eindeutig identifizierbaren politischen Zweck. Sie sollten den Sozialismus in allen seinen Spielarten so weit wie möglich diskreditieren und auf diese Weise die uneingeschränkte Herrschaft des Kapitals verteidigen und durchsetzen helfen. In der schon bald als »Historikerstreit« bekanntgewordenen Debatte mußte Nolte heftig Federn lassen. Seine Thesen verstießen gegen den gut begründeten bundesrepublikanischen Konsens, dem zufolge die Vernichtung der europäischen Juden in gar keinem Fall durch den Vergleich mit anderen Verbrechen in irgendeiner Form relativiert werden dürfe. Noch heute ist Nolte deshalb im Wissenschaftsbetrieb und im Feuilleton des vereinigten Deutschland eine unerwünschte Person. (mehr…)

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