Verfassungsfeindliche Umtriebe auf deutschen Volkswirtschaftslehrstühlen

Anhänger des Marktradikalismus bekämpfen die in Artikel 38 Grundgesetz verankerte allgemeine, unmittelbare, freie und vor allem die gleiche Wahl: Die „Leistungselite“ müsse vor der Mehrheit geschützt werden.
In einem „ordnungspolitischen Blog ´Wirtschaftliche Freiheit`“ stellt der Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre der Universität Mannheim, Roland Vaubel, das schon 1787 in der amerikanischen und mit der Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts seit 1918 in den deutschen Verfassungen verankerte gleiche Wahlrecht zugunsten eines Schutzes der „Leistungselite“ in Frage.

Noch mehr Schutz als eine Änderung des Wahlrechts im Grundgesetz biete allerdings der „Standortwettbewerb“ zwischen den Staaten. Deshalb liege in der Globalisierung eine große Chance: sie zwinge die Politiker jenseits aller Wahlergebnisse um die Gunst der „Leistungseliten“ zu konkurrieren. (mehr…)

Notfalls gegen das Gesetz

UNGLAUBLICHE PRAKTIKEN

Steinmeier und Schily offenbaren im “Fall Kurnaz” ein schwer degeneriertes Rechtsverständnis

von Rudolf Walther

Ackermann von der Deutschen Bank, Pierer von Siemens und Hartz von VW - das sind die Normalfälle. Die Justiz hat dafür die mit dem Neoliberalismus verträgliche Rechtsform des Deals beziehungsweise Kuhhandels vorgesehen - die Betroffenen ihre Portokassen. Darüber kann man sich aufregen, muss man aber nicht. Nicht um Peanuts, sondern ums Ganze geht es im Falle von Murat Kurnaz, des Bremers türkischer Herkunft. Die Vorgänge, die jetzt ans Licht kommen, zeigen den Zustand von Demokratie und Rechtsstaat.

Im parlamentarischen Untersuchungsausschuss stellten die Regierungsparteien CDU/ CSU und SPD keine eigenen Beweisanträge und stimmten diejenigen der Opposition einfach nieder. Der Regierungsapparat sorgte mit restriktiven Aussagegenehmigungen dafür, dass alles unter der Decke blieb - bis das ganze Ausmaß des Skandals dank einer Indiskretion durchsickerte. Das heißt, ein wichtiges Instrument demokratischer Kontrolle - der Untersuchungsausschuss - wurde im Zusammenspiel von Regierung und Regierungsparteien monatelang kaltschnäuzig lahmgelegt. (mehr…)

Wir lassen sie so lange wählen, bis sie das Richtige gewählt haben

BERLIN

Mit einer umfassenden PR-Kampagne leitet die Bundesregierung ihre kommende EU-Ratspräsidentschaft ein. Begleitet von mehreren hundert “Kommunikationsevents” sind für die nächsten drei Monate ein bundesweiter Schulprojekttag (Januar), eine “Deutsche Bürgerkonferenz” (Februar) sowie Feierlichkeiten zum fünfzigsten Jahrestag der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (März) angekündigt.

Ziel ist eine breite Mobilisierung für zentrale Vorhaben Berlins, unter anderem für den EU-Verfassungsvertrag. Man müsse in der Bevölkerung eine Stimmung schaffen “wie zur Fußball-WM”, verlangt Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) in Anspielung auf die staatlich gesteuerten Massenveranstaltungen des vergangenen Sommers. Auf diese Weise soll den europaweiten Mehrheiten gegen die EU-Politik begegnet werden. Angesichts deutlicher Widerstände der deutschen Nachbarn und deren Furcht vor einer zunehmenden Berliner Dominanz erklärt Kanzlerin Angela Merkel die Ratspräsidentschaft ihrer Regierung zu einem “nationalen Anliegen”. Breite Teile der Parlamentsopposition schwören Geschlossenheit. (mehr…)

Norbert Blüm: «Was hast du dem Geringsten meiner Brüder und Schwestern getan?»

Gerechtigkeit versus Neoliberalismus und Globalisierung

Nobert Blüms neues Buch

von Karl Müller, Deutschland

«Wir haben es mit einer Wirtschaft zu tun, die sich anschickt, totalitär zu werden, weil sie alles unter den Befehl einer ökonomischen Ratio zu zwingen sucht. Das jedoch ist eine verkrüppelte Ratio. […] Eine Wirtschaftsordnung, die Entlassungen regelmässig mit Gewinnsteigerung beantwortet, wird nicht überleben. Die Menschen werden es sich nicht gefallen lassen.»
Norbert Blüm

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wird von den Reichen und Mächtigen der Welt hofiert. In Davos, beim diesjährigen Weltwirtschaftsforum WEF, durfte sie am 24. Januar, nun schon zum zweitenmal hintereinander, die Eröffnungsrede halten. Diese Rede zeigt denn auch, warum Angela Merkel hofiert wird. In gestellter Biederkeit trägt sie vor, dass die Globalisierung eine gute Sache sei, eine Chance und kein Risiko. Das Zusammenwachsen der Welt brauche aber auch richtige politische Rahmenbedingungen. Zum Beispiel «mehr Freiheit». Für Merkel bedeutet dies eine Ausweitung des europäischen Binnenmarktes mit seinen vier Grundsätzen der Globalisierung: ungehemmter Handel mit Gütern und Dienstleistungen, ungehemmtes Hin- und Herschieben von Menschen und vor allem ungehemmter Kapitalverkehr. Und ganz speziell: die «Vertiefung der wirtschaftlichen Verflechtung zwischen der EU und den USA» («Neue Zürcher Zeitung» vom 25. Januar). Merkel «schwebt eine Binnenmarkt-ähnliche Struktur vor». (ebenda)
Merkel steht für die Ideologie des Homo oeconomicus. (mehr…)

Macht ohne Mandat

Die Experten der Bertelsmann-Stiftung sind in der deutschen Politik allgegenwärtig: Von den Kommunen bis zum Kanzleramt, von den Hochschulen bis zur Sozialhilfe. Die entscheidende Frage: Beraten sie die Politiker nur – oder machen sie selbst Politik?

Von Harald Schumann

Die Lage ist dramatisch, daran lässt Johannes Meier keinen Zweifel. Schon das Ausmaß der Verschuldung sei „unmoralisch“, erklärt der Mann mit dem wachen Managerblick hinter der Primanerbrille. Darum gelte es, „die Effizienzreserven zu heben, was anderes können wir uns gar nicht leisten.“ Folglich müssten „Leistungen vergleichbar gemacht“ werden, damit erkennbar wird, wo was schief läuft. „So machen wir den Veränderungsprozess zum Produkt“, erklärt er und der Jargon verrät seine Herkunft. Acht Jahre hat Meier bei McKinsey Unternehmen beraten und vier Jahre für General Electric eine Tochterfirma saniert.

Doch das Unternehmen, von dem der McKinsey-Mann heute spricht, ist nichts Geringeres als die Bundesrepublik Deutschland. Denn Meier ist geschäftsführender Vorstand der Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh, einer einzigartigen Organisation: Sie verwandelt das Geld aus ersparten Steuern von Europas größtem Medienkonzern in strategische Politikberatung. Dabei ist die Stiftung mit ihrem Anteil von 76 Prozent an der Bertelsmann AG nicht nur die reichste ihrer Art in Deutschland. Zugleich arbeitet sie operativ, also ausschließlich auf Initiative ihres Gründers, des Konzernpatriarchen Reinhard Mohn und seiner Mitarbeiter. Externe Anträge werden nicht entgegen genommen, dafür drängen die Bertelsmänner umso eifriger mit eigenen Projekten in die deutsche Regierungsarbeit. (mehr…)

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